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Intra muros (Zwischen den Mauern)
die Bruchstücke aus dem Roman
Er stand auf einer steinigen Anhöhe und schaute auf die bleigrauen Wellen des Stausees, der sicn im matten Schein der Sonne bis zu den fernen bräunlichen Hügeln erstreckte. Dort, unter den trüben Wassermassen, lag ein verfallenes deutsches Dorf. In diesem Dorf hatte Dina gelebt. Nach dem Unterricht bereitete er sie gewöhnlich bis zur Erdhütte. Der Schnee war stellenweise getaut, und das hervortretende Salz knirschte unter den Füßen. Hie und da sproß Salpeterstrauch hervor, er glich fettgewordenen Tannenzweigen. Menschen, die aus dem grünen Europa in diese Halbwüste verbannt worden waren,hüteten sich, auf junge Triebe zu treten. Jegliches Grün war hier rar.
Abends kam er wieder in die Siedlung, doch Dinas Mutter erlaubte es dem Mädchen nicht, das Haus nach dem Sonnenuntergang zu verlassen; jede halbe Stunde öffnete sie das Fenster und rief: „Dina, komm nach Haus!“ Dina hielt hastig ihren Mund hin schmiegte sich zitternd mit ihrem ganzen Leib an den russischen Burschen und ließ ihn mit jeder neuen Begegnung immer dreister unter ihrer Kattunbluse herumfummeln...
Dort, wo jetzt die Wellen gleichmütig dahinrollen, wand sich das Mädchen in Krämpfen, nachdem sie sich entschlossen hatte, eine Abtreibung selbst zu machen. Dort, auf dem Seegrund, erhebt sich irgendwo ein kleines Hügelchen, unter dem das schuldlos getötete Kind liegt. Damals war er der Ansicht, es würde ein großes Hindernis auf dem Wege sein, der ihn zu lichten Höhen führen sollte.
Das Ufer steuerte ein kleiner, aus einem Baum gehauener Kahn an, doch die Wellen trieben ihn immer wieder weg. Er ließ das schwankende Boot mit gebrochenem Mast und schlaff herabhängendem Segel nicht aus den Augen. Klar, daß der Kahn irgendwo auf eine Klippe gelaufen war. Der Wind kam in heftigen Böen, die kalte Herbstsonne ***ergoß die fernen Bergkuppen mit grellem ******* das gelbe, schmutzige, stellenweise *******kte Schilf raschelte. „Der Sommer ist ******* Schatten unterm blinden Stern dahin*** ***cht“ rezitierte er im Inneren, „Jugend, ******* ****hnsüchte — alles ist verpfuscht...“ ******* ****rationen hat der Stausee unter *****.
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***************** *****polter zu hören, ***************d das Zimmer *************nenhaft aussehende Frau in weißer Atlasbluse und langem schwarzem Glockenrock. Hellblaue große Augen, hohe Bögen der verblichen wirkenden Brauen. Den runden Kopf hielt sie ein wenig zur Seite geneigt, als lausche sie in sich hinein. Der kleine Mund hatte die Farbe reifer Moosbeeren.
„Guten Abend, Vitali“, sagte sie mit schwacher Stimme.
„Grüß dich, Dinotschka“. Schewyrew erhob sich ziemlich schwerfällig vom Sessel und reichte ihr die Hand.
Below reckte die Arme hoch.
„Also, liebe Zuschauer, wie gehabt... Musik! ‚Ich traf Sie wieder und alles!’ “
Olga Konstantinowna legte ihm die Hand auf den Mund.
„Jurka, meinst du denn nicht, daß es außer deiner umgekehrten Welt auch eine andere Welt gibt?“
„Kein Geringerer als Majakowski sagte: ‚Glaube nicht ans Bestehen eines blumenbewachsenen Nizza!’ “
„Und darin liegt das ganze Geheimnis seines sündhaften Todes. Nach absolutem Unglauben folgt das Sterben.“
„Und was sagst du dazu, Dina?“ Below tat, als verstünde er nicht, worum es ging.
„Ich?“ Dina schien von der Frage überrascht. „Wenn ich wüßte, wo sich Gott aufhält, würde ich sagen, wo der Tod ist.“
„Unsere ehemalige Literaturlehrerin dagegen weiß alles“, lächelte Below höhnisch. „Sie weiß sogar, wonach es mich in diesem Augenblick verlangt.“
„Nach einem Klaren, du elendes Plappermaul“, schmunzelte Olga Konstantinowna. „Aber du kriegst keinen... Binde deinen Bart zu einem Knoten und eine Schürze um, wir wollen das Abendbrot zubereiten. Aus dem Stadtparteikomitee hat übrigens Dymtschuk angerufen. Ich habe auch ihn eingeladen.“
In der Küche wurde zunächst gestritten, dann setzte sich Belows Baßstimme durch, und man hörte nur das Klappern der Messer und des Geschirrs.
Dina unterbrach das im Zimmer herrschende Schweigen als erste.
„Sag, Vitali, warum hast du meine Briefe nicht beantwortet?“
„Du warst verheiratet, ich hatte auch eine Frau.“
„Und nachher?“
„Ich bin ein Egoist, ein bißchen mehr als der Durchschnitt. Es gibt eine Sache, du hast dich an sie gewöhnt, und plötzlich wechselt die Sache zu einem anderen Herrn, und du kannst ihr das nicht verzeihen, wenngleich du verstehst: Sie hat richtig getan, daß sie einen schlechten Herrn verlassen hat.“
„Ich schäme mich nicht. Schon in der Schule fühlte ich mich als deine Sache und... war stolz darauf. Aber du warst wirklich ein schlechter Herr. Als die Sache dir noch eine Sache gebären wollte, hast du ihr nicht einmal gestattet, Mutter zu werden... Ach, wie schmerzhaft war es für mich zu wissen, daß du deiner Tochter meinen Namen gegeben hast.“
„So wollte es Swetlana.“
„Du lügst, Vitali. Sweta ist sehr schön, und alle schönen Frauen sind ehrgeizig. Sie konnte unmöglich ihrem Kind meinen Namen geben.“
Vitali Schewyrew blickte die Frau, einst ein allzu gelehrtes Mädchen, das er, sich selbst hassend, betrogen hatte, mit Interesse an. Und nun ertappt sie ihn ziemlich mühelos beim Lügen... Stimmt, seine ehemalige Frau nennt ihre Tochter Gela (bis auf den Laut „a“ stimmt in dem Namen nichts überein).
„Na gut, Vitali, wir wollen nicht das Feuer wieder entfachen, das der Regen längst gelöscht hat. Sag, kannst du dich noch an David erinnern?“
Und ob! David, der etwas ältere Junge aus dem Nachbarhaus, war eigentlich sein erster Lehrer in der Schule, die das Leben heißt. Wieviel jugendliche Illusionen hat dieser Mensch zerstört! David war es, der sein kühnes Projekt der Aufwärtsentwicklung ganz raffiniert verspottet hat, einer Aufwärtsentwicklung, die zu einer wirklich gerechten Revolution führen sollte. Ein Deutscher von der Wolga. Mit achtzehn Lenzen kannte er sich in Hegel, Kant und Marx aus, schwärmte für Wissenschaft und Technik, war Delegierter eines Jugendkongresses. Aber der verdammte Krieg gegen seine westlichen Stammesgenossen brachte alles durcheinander. Der zaghafte Versuch, seine Landsleute vor einer pauschalen Aussiedlung zu schützen, drehte das Karriererad zurück, das Gerichtsurteil lautete auf zehn Jahre Lagerhaft in Kasachstan. Das Leben in einer von der Sonderkommandantur überwachten Siedlung begann er als Kraftfahrer (ein schöner Beruf, zumal er Großraumfahrzeuge steuern durfte!), doch zu mehr als einem Bild an der Ehrentafel des Fuhrparks brachte er es nicht, er hatte auch keinen Wunsch, irgendwie emporzukommen. Er las jetzt nur Plato, die Bibel und Chardin. Alkohol mied er, Fragen nach Frauen beantwortete er mit Zitaten aus Rabelais. Morgens trieb er Gymnastik, trank Kaffee und marschierte zur Garage, um Pläne zu überbieten. Doch dem bösen Schicksal war auch diese schlichte Lebensweise eines normalen Sowjetbürgers abhold. Eines dunklen Nachts im Herbst machte es einen Weichensteller betrunken und löschte Lichter am heranrollenden Güterzug, so daß er gegen den Schwerlaster, hinter dessen Lenkrad David saß, praßte und entgleiste. Der Lokführer und der Wagenkuppler kamen ums Leben, der Kraftfahrer aber hatte fünf Jahre in einem Lager für Kriminelle abzubrummen. Schewyrew studierte gerade an einer Universität und bekam aus dem fernen Jakutien einen dreieckförmigen Brief mit dem Stempel „Gebührenfrei“. Er erkannte seinen älteren Freund sofort an dessen gotischer Handschrift, wollte den Brief erst nach der Prüfung in der Geschichte der KPdSU lesen, doch die Ungeduld war stärker, er las den Brief und sauste zur Verwunderung des rotwangigen, kleinwüchsigen Dozenten durch: Er ließ sich dummerweise mit diesem auf einen Streit ein, ärgerte sich über die eigene Hilflosigkeit und sagte zu dem Mann: „Sehen Sie, ich bin ein überzeugter Atheist, und jede Religion ist mir fremd.“ So sagte er und kam um das Stipendium für ein ganzes Semester. Dabei hätte er, blöder Hund, wissen müssen, was er sagen durfte und zu wem.
Und ob er sich an David erinnern konnte!
„Zwei- oder dreimal besuchte ich seine Gemeinde“, sagte Dina, rätselhaft lächelnd.
„Ehrlich gesagt, ich war nicht begeistert. Zu viel Moral und zu wenig Gott. Die Leute scheinen ihn kollektiv zu besitzen.“
„Und das wäre alles?“
„Nein, nicht alles.“ Dinas Augen blinzelten schelmisch. „Vor zwei Wochen bat er mich um die Hand, dabei sprach er eine so ulkige Mundart. Ich war zugleich so erschüttert und geschmeichelt, daß ich mich nicht erinnern kann, wie ich ihm nein sagte.“
„Davi-i-id!.. Dieser Mönch, dieser Frömmler!“ Schewyrew schlug eine Lache an. „Er war immer höchstens dazu gut, mit einer Frau im Bett Kreuzworträtsel zu lösen. Und nun läßt er sich bei seinem Alter von Amors Pfeil treffen!“ Schewyrew lachte aus vollem Halse und merkte nicht, wie sich Dinas Gesicht verfinsterte.
„Hör auf, Vitali! Er ist dein Freund, nur älter als du. Eine Schande, sich über die Verse lustig zu machen, die du ihm gewidmet hast. Du warst auf eure Freundschaft stolz. Ist er etwa schuld daran, daß das Schicksal ihm folgt wie ein Verrückter mit Rasierklinge. Es tut mir leid, daß ich dir von seinem Heiratsantrag erzählt habe. Du hast es verlernt, unglückliche Menschen zu verstehen. Ich verfluche mich nachts, weil ich nein gesagt habe. David braucht ein Zuhause, eine Familie, Kinder eher als viele andere. Und wenn nicht du wärest...“
„Was habe denn ich damit zu tun?“
„In der Tat, du hast damit nichts zu tun. Es geht um mein Verhalten zu dir. Zwar bin ich Lehrerin, doch immer noch ein naives Gretchen, hab meine Hoffnungen noch nicht begraben...“
* * *
Konstantin Dymtschuk tauchte im Zimmer geräuschlos auf. Um seine Lippen spielte immer noch das Lächeln, das alle gewohnt waren, nur war inzwischen gebieterische Selbstgefälligkeit hinzugekommen. Dicklich, eine Glatze, freundlich und zuvorkommend wie ein Kinderarzt. Lange hielt er Schewyrews Hand mit seinen kurzen, vom Umgang mit Metall immer noch harten Fingern.
„Freue mich unsäglich, dich zu sehen. Erzähle: was? wo? wie? Hab gehört, daß du zur Arbeiterklasse gewechselt bist. Ein wohl richtiger Entschluß: Es ist allemal besser, materielle Güter zu produzieren als bei der Meinungsmache zu schludern.“
Olga Konstantinowna, die Gastgeberin, bot ihm erwartungsvoll die Wange, er drückte gewohnheitsmäßig einen Kuß drauf und stellte ebenso gewohnheitsmäßig zwei Flaschen Rum auf den Tisch.
„Ja, ja, du hast tausendmal recht.“ Dymtschuk nickte, während er Messer und Gabel geradezu elegant handhabte. „Man soll der Partei und ihren Steuermännern nicht ins Handwerk pfuschen. Sie verzeihen es einem nicht.“
„Und seine Begabung?“ meldete sich Dina. „Berdjajew — vielleicht habt ihr’s gelesen — sagt im ,Sinn des Schöpfertums’: ,Man darf nicht die Kunst von der Wissenschaft, das Schöpfertum von der Anpassung, die Freiheit von der Notwendigkeit in Abhängigkeit bringen.’ “
„Nikolai Berdjajew ist für uns keine Autorität: Gottsucher, Existenzialist, Eschatologe. Seine Ideen werden in der neuzeitlichen antikommunistischen Literatur in großem Stil propagiert.“
„Das haben sie aus dem ‚philosophischen Lexikon’ erfahren“, fuhr Dina hartnäckig und doch irgendwie schüchtern fort. „Es ist mir angenehm, einen gläubigen Menschen zu treffen, denn Unerkanntes zu leugnen und nur eigene Dogmen gelten zu lassen, ist schon Religion. Ich bin selbst religiös und fühle mit Ihnen.“
Die Gastgeberin prustete los, Below lachte lautlos, wobei er seinen Kopf mit den Händen umklammert hatte, Vitali Dmitrijewitsch sah Dina unverwandt und verwundert an. Konstantin Gerassimowitsch bewegte nervös seine Finger, alstechne er seine Chancen aus.
„Schön!“ sagte er. „Was verstehen Sie, Dina Adolfowna aber unter Freiheit?“
„Vitali sagte einmal: Freiheit ist Zustand des Geistes. Damals dachte ich erstmals allen Ernstes über den Zustand meines Geistes nach und erschrak: Er war vom rostigen Draht gesellschaftlicher Vorurteile umspannt. Also wollte ich mich darüber klar werden, wie ich von der Schule und im Elternhaus völlig entgegengesetzt erzogen wurde. Natürlich kam dabei nichts Gescheites heraus, doch dem Chaos entwand sich ein winziges goldenes Fischlein... der Liebe. Mit Staunen stellte ich fest, wie schutzlos es an der Luft, im fremden Element war. Grobe Hände hätten es ohne weiteres zerdrücken können. Und so beeilte ich mich, das Fischlein wieder ins Chaos, in meine Seele, zurückzusetzen. Nur dort könne es überleben, dachte ich. In eurer Freiheit würde es sterben, wie ich irgendwo als Wolgadeutsche verreckt wäre, hätten mich Ihre, Konstantin Gerassimowitsch, Diener des eisernen Kults, Ihre geistigen Väter nicht hierher gebracht. Und ich danke Ihnen dafür, denn sonst wäre ich nie Vitali begegnet und hätte nicht erfahren, daß es auf der Welt solchen Schmerz, solche Liebe und solch verheerende Gleichgültigkeit geben, kann. Die Erde wurde für mich zu einem provisorischen Wohnort. Die Mauern des Staates brachen zusammen, die Luft draußen reinigte sich vom Gestank eurer Werke, die Schüler wurden zu meinen eigenen Kindern. Ich lernte es, meine Handlungen richtig zu bewerten, sie im Tun anderer Menschen zu erkennen. Ich lernte es, in schwierigen Situationen mein goldenes Fischlein um Rat zu bitten. Eure Zeitungen ärgern mich nicht mehr, ich belächle ihre Nichtigkeit. Euer Fernsehen mag ich, wenn der Apparat abgeschaltet wird und auf dem Bildschirm ein goldgelber Punkt bleibt — mit ihm verhalten die Schüsse derjenigen, die links oder rechts stehen, verpuffen die Leidenschaften, die in Industriebetrieben und auf Kolchosfeldern toben, verdampfen die falschen Tränen und verschwindet das nicht weniger falsche Lächeln der Schauspieler. Und mir ist dann, als verstünde die abkühlende Kiste weit mehr als ihre Schöpfer.“
„Vergessen Sie, Dina Adolfowna, nicht, etwas über unsere Reden zu sagen.“ Dymtschuk blinzelte der Frau zu.
„Oh, mit euren Reden ist es wirklich nicht weit her. Zwei, drei Gedankenkörner pro Hektar Papier, alles andere ist Dung.“
„Fürchten Sie nicht, als unbescheiden zu erscheinen, indem Sie Ihre Liebe so herausstellen?“
„Ich stelle Ehrlichkeit über Bescheidenheit. Diese hat sich längst in Schläue verwandelt und ist die letzte wirksame Lüge im Rüstzeug eurer Propaganda.“
„Sie hat mich tüchtig zusammengestaucht, gelt?“ Dymtschuk legte seinen Arm um Schewyrew, der sich über den Tisch gebeugt hatte. „Sag mal, altes Haus, warum machen die Leute in deinem Beisein aus ihrem Herzen keine Mördergrube? Hätte ich zum Beispiel Dina Adolfowna in mein Arbeitszimmer bestellt und gefragt, ob sie Zeitungen lese, würde sie, grundehrlich wie sie ist, nein sagen. Und warum? ‚Keine Zeit; Arbeit, andere Sorgen.’ Nein, so einfach ist ihr nicht beizukommen.“
„Freilich“, sagte Olga Konstantinowna und tat einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. „So dumm ist heute keiner. Dummköpfe sind in gewissen' Jahren unter euren Händen alle geworden. Nun habt ihr Lügen von grundehrlichen Menschen zu kassieren. Ich habe acht Jahre nur deshalb abgesessen, weil ich vor dem Kriege auf einer Party mit General Wlassow getanzt und seine Komplimente mit Lächeln quittiert hatte. Der Untersuchungsrichter fragte mich, ob jener mich zum Landesverrat zu animieren versucht hatte. Und ich war so blöd zu sagen: ‚War es nicht Ribbentrop, der Genossen Molotow zum Landesverrat animierte, als er ihn vor der ganzen Welt umarmte?’ Auf der Stelle wurde mir die Absicht angehängt, die Sowjetregierung durch Verleumdung Molotows und anderer Staatsmänner zu stürzen. Du, Konstantin, gleichst einer Mutter, der ihr Junge einen bösen Streich gesteht und die ihn dafür fast zu Tode prügelt. Ist vom Sohn im weiteren Ehrlichkeit zu erwarten?“
„Stürmischer Beifall!“ Dymtschuk ließ das Lächeln von seinem Gesicht wie eine Maske verschwinden. „Schwätzen können wir alle! Was schlagt ihr konkret vor? Wegen einiger hundert mißratener Talente die Schleusen öffnen? Das hat es aber schon gegeben. Eine uferlose Demagogie! Bürgerkrieg, Hunger, Zerrüttung. Ich bin felsenfest überzeugt: Nur eine straffe Zentralisierung, nur eine Alleinherrschaft sind imstande, dem Druck aufgestauter Triebe standzuhalten.“
„Übertreib nicht, Kostja!“ Below regte sich in seinem Sessel. „Die Rede ist davon, daß auch du, ein treuergebener, eiserner Genosse, in einer Hürde landen kannst. Du wirst zu beweisen suchen, daß du kein Kamel bist, man wird dich aber ein Pferd nennen und in einen Lastgaul mit Nummer 379822 verwandeln, und das heißt soviel wie ein ‚Ultra-Komm-Konservativer’... Und laß deine Finten. Was mimst du einen Habenichts von der Partei! Dina hat ihre Liebe, Vitali sein Schöpfertum, Olga Konstantinowna ihre ehemligen Schüler, ich habe eine Ausstellung in Paris, du aber hast nichts außer einem Sessel und vier Telefonapparaten. Dina ist ihre Liebe nicht zu nehmen, ebenso wie Vitali sein Schaffen, nimmt man dir aber deinen Sessel, kappt man dir deine Telefone, stehst du wie ein Bettler da, wie ein von allen vergessener, jämmerlicher Greis.“
In Dymtschuks grünlichen Augen flimmerte es, auf den erblaßten Wangen traten Sommersprossen hervor. Aber er bezähmte die aufsteigende Wut.
„Ihr seid gut!“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr fragt noch, warum der Fahrer im Wagen stundenlang herumsitzt. Wenn es nach euch ginge, würdet ihr mich, seinen Herrn, rädern und vierteilen.“
„In der Tat“, pflichtete ihm Schewyrew bei, „wir fallen aus einem Extrem ins andere. Maß halten können wir nicht.“
„Für Dina gilt das nicht. Sie ist der einzige Mensch in dieser Runde, vor dem ich mich schämen muß.“
* * *
Im vierten Stock schloß Dina die Tür auf. Die Wohnung schien schon immer gemütlich gewesen zu sein. In Dinas Zimmer roch es dagegen nach Frühlingsregen. Der Lichtkegel der Tischlampe trennte das im Zimmer herrschende Halbdunkel von der kosmischen Finsternis hinter dem Fenster. Dort pfiff der Steppenwind. Er brachte den Duft des Jasmins. Der Mann hob die bleischweren Lider. Die Frau im blauen spitzenbesetzten Neglige fragte: „Darf ich mich neben dich hinlegen?“
Er kam sich wie ein Spion unter vertrauensseligen Menschen vor. Würden sie seine tückischen Gedanken erraten, würden sie ihm einen Denkzettel verpassen und des Hauses verweisen? Um solche Häuser machte er einen Bogen, wie ein gestandener Schauspieler den Wanderzirkus meidet. Zugleich glaubte er vor diesen normalen Häusern mit ihrem grauen Alltag Angst zu haben. Er wußte, daß es eine Denkweise gibt die im Alltag wurzelt und auf der Evolutionslogik beruht. Da ihm aber Ihre Wurzeln verborgen blieben, konnte er auch mit**** Baumkrone nicht klarkommen. Es w**** viel einfacher, mit Leuten zu verl***** in jedem homo sapiens von *************** Schurken sehen. Dies******** *****sieht Menschen sein********
ÂÅÊ, 1993 ã.
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